Die Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Und verblüffenderweise sind manche der wohlhabenderen Betrachter bereit dazu, unvorstellbare hohe Preise für Kunstwerke zu zahlen, nur um sie dann zeitweise ihr Eigen nennen zu können. Vielen Menschen, die allgemein nicht mit der Materie und dem Gebaren des Kunstmarktes vertraut sind, ist es immer wieder ein Rätsel, wieso ein Kunstwerk zu einem höheren Preis verkauft wird, als es beispielsweise kosten würde, eine Vielzahl moderner Gebäude zu errichten, die einen „echten Nutzen“ hätten.
Im Jahr 2018 wurde beispielsweise ein Werk des deutschen Künstlers Gerhard Richter für 1,1 Millionen Euro erworben (Gemälde: Spiegel, blutrot, 1991). Das Verblüffende daran ist, dass darauf nichts abgebildet ist als schwach nuancierte dunkle Rottöne. Der Wert des Bildes könnte sich rational nur damit erklären lassen, dass Gerhard ein zeitgenössischer Künstler ist, der noch lebt. Ein Werk des renommierten und angesehenen Künstlers Gerhard Richter für etwas mehr als eine Million Euro ist somit sogar noch vergleichsweise günstig, wenn man bedenkt, dass die Preise der Richter-Werke sich nach seinem Tod vermutlich exorbitant steigern dürften.
Der Einfluss und die Bekanntheit des Künstlers entscheiden seit jeher darüber, ob seine Werke attraktive Spekulationsobjekte des Kunstmarktes sind. Anhänger der Kunstszene versuchen oft, die kulturelle und historische Bedeutung der Werke in den Vordergrund zu stellen. Die wenigsten würden vermutlich zugeben, dass sie die Werke als reine und sichere Geldanlage sehen und diese nur gekauft haben, um sie später mit einer entsprechend lohnenden Gewinnmarge wieder zu verkaufen. Nichtsdestotrotz muss man vielen der teuren Werke zugutehalten, dass es sich bei ihnen zumindest teilweise um einzigartige Exemplare handelt, die auch auf der persönlichen, assoziativen und emotionalen Ebene berühren können.